ZERI Pavillon auf der EXPO 2000



Einleitung


1) Zeri Pavillon


2) Simon Velez

3) Freizeitzentrum Penalisa

4) Prototyp fuer sozialen Wohnungsbau


5) Pavillon in Kolumbien


6) Skizzen des Architekten

Die Organisation ZERI (zero emission research initiative) befasst sich mit der nachhaltigen Verwendung von natürlichen Ressourcen auf der Erde. Da dieses Aufgabengebiet sehr gut zu dem Thema der EXPO 2000 in Hannover, "Mensch Natur und Technik", paßte, wurde die Organisation 1995 gebeten sich auf der Weltausstellung mit ihren Ideen und Konzepten zu präsentieren. Da die Organisation sich sehr stark in Südamerika engagiert und sich dort vor allem mit den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Bambuspflanze beschäftigt, kam 1997 die Idee auf, für die Expo 2000 einen Pavillon in Bambusbauweise zu präsentieren.

Die Idee wurde in Zusammenarbeit mit Simón Vélez, einem Architekten aus Bogota (Kolumbien) und ZERI entwickelt.


Der Architekt Simón Vélez ist am 2. Februar 1949 in Meniziales, Kolumbien geboren und absolvierte von 1968- 1975 an der Universidad de los Andres, Bogotá ein Architektur- und Kunststudium. Bereits sein Vater war Architekt, der in Amerika studierte und in Kolumbien zur Avant Garde gehörte. Die Einflüsse der Architektur von Simón Vélez lassen sich auch in der japanischen Architektur finden, die ihn auch dazu brachten sich mit den Materialien Bambus, Holz und Stein auseinanderzusetzen. "Organische Architektur hält das Gleichgewicht, zwischen mineralischen Bestandteilen und den pflanzlichen Bestandteilen."

Seit Mitte der achziger Jahre verwendet er den Baustoff Bambus, sein erster Bambusbau war ein Stall für einen Freund, der ihn bat dieses Projekt in Bambus auszuführen, mit weiteren Projekten, wie einem Clubhaus wertete er den Bambus sozial auf. Eines seiner aufsehenerregensten Projekte war das Freizeitzentrum Penalisa in Girardot von 1992- 96, dessen Dach zu seiner Zeit die größte existierende Bambusstruktur aufwies.       

                                             
1999 entwarf und baute er einen Prototyp für den sozialen Wohnungsbau, ein Minimalhaus mit 65 m² auf zwei Ebenen und erreichte damit Kosten von 5.000$. Hier verarbeitete er seine Erfahrungen, die er durch seine Bambusbauten im größeren Maßstab, wie Villen für die Kolumbianische Oberschicht erhielt.                                                                      
Somit hat er es  geschafft den Baustoff Bambus, der in Kolumbien meistens nur der ärmeren Bevölkerungsschicht als Baumaterial dient, durch größere und gewagtere Konstruktionen salonfähig zu machen.


Bei fast allen Gebäuden auf der Expo machten die Baubehörden Einschränkungen. Im Falle des Zeri- Pavillons wollten sie zunächst gar keinen Bauantrag stellen, da es in Deutschland keine rechtlichen Grundlagen fuer die Bauvorschriften beim Bauen mit Bambus gab. Daraufhin einigte man sich unter dem Gesichtspunkt, dass der Gedanke alle Nationen auf die Expo einzuladen, aber dann landesübliche Innovationen nicht zuzulassen, obwohl sie sich auch noch mit den ethischen Zielsetzungen der Weltausstellung - Natur Mensch Technik- deckten, einen Prototypen in Kolumbien bauen zu lassen. Dort sollte der Pavillon von der FMPA Stuttgart und deutschen Ingenieuren auf seine technischen Fähigkeiten geprüft werden. Der Bau wurde in Meniziales aufgebaut und während die Untersuchungen der kolumbianischen Behörden ergaben, dass der Pavillon nicht baubar wäre, testeten daraufhin hochkarätige Ingenieure Deutschlands den Pavillon auf seine Eigenschaften. Das Ergebnis war, dass der Pavillon neben seinen erdbebensicheren Besonderheit auch leistungstechnisch und höchst wissenschaftliche Bautechnik zu verstehen ließe. Daraufhin wurde der Pavillon zur Expo zugelassen und wurde von keiner weiteren Einschränkungen betroffen als der Auflage ein Zugband zwischen den Kopfbändern anzuordnen.

Auffallend bei dem Aufbau bei der Expo war, dass die Arbeiter keiner Baufahrzeuge bedurften.
Der Pavillon war einer der wenigen die sich mit dem Thema der Expo - Mensch Natur Technik- absolut identifizieren konnte.
Simón Vélez entwickelte auch eine neue Verbindungstechnik bei der einzelne Stäbe über in Mörtel eingebettete Stahlstangen zugfest miteinander verbunden werden können.
Der Entwurfsgedanke des Pavillons ist der einer natürlichen und offenen Konstruktion mit einem weit auskragendem Dach, das den Menschen Schutz vor Sonne und Regen bietet.

Materialien


5) "Bild 6. Bambusstab guadua angustifolia"


6) "Bild 7. Holzstämme aliso"

Die für die Tragkonstruktion primär wichtigen Materialien sind die Bambusart guadua angustifolia, die Holzart aliso, Baustahl, Betonstahl und Beton. Die Holzart arbolco und die Bambusart chusque haben nur sekundäre Bedeutung.
Bambus guadua angustifolia
"Bambus ist ein schnellwachsendes Riesengras." In Südamerika wird vor allem die Bambusart guadua angustifolia von der ärmeren Bevölkerungsschicht im Wohnungsbau angewandt, jedoch ohne das ganze Potential dieser Pflanze als Baummaterial vor allem in statischer Hinsicht auszunutzen. Der Guaduabambus erreicht nach 1 Jahr seine volle Größe von 20 bis 25m. Frühestens nach dem dritten Lebensjahr kann der Bambus geschlagen und für bauliche Zwecke verwendet werden. Nach dem 6. Jahr wird er unbrauchbar. Der Rohrdurchmesser und die Wanddicke nehmen nach oben hin ab. Für den Pavillon wurden Rohre mit einem Durchmesser von 10 bis 14cm und einer Wanddicke von 11 bis 20mm verwendet. Um den Bambus gegen Insekten und Pilze zu schützen, wurde er nach japanischen Vorbild in seinen eigenen Harzen geräuchert.
Holz aliso (alnus acuminata)
Das Holz aliso ist ein in Südamerika wachsendes Laubholz, das hauptsächlich in Höhen von 2000 bis 3000m über NN zu finden ist. Da es in Kolumbien keine ausgeprägten Jahreszeiten gibt, lassen sich keine Jahresringe im Querschnitt des Holzes ablesen. Das Holz findet Anwendung in Form von Vollholzstämmen mit 17 bis 22cm Durchmesser für die Stützen des Pavillons.

Das Tragwerk

 

Das Tragwerk ist ein räumliches Stabwerk, dessen grundlegende Zusammensetzung im Folgenden näher erläutert wird.

Bezeichnend für derartige Systeme ist deren statische Un- oder Überbestimmtheit. "Beim ZERI- Pavillon ist der Grad der Unbestimmtheit besonders hoch" (J. Lindemann, K. Steffens). Das bedeutet zwar einerseits Schwierigkeiten bei der Berechnung, die bei den Unregelmäßigkeiten des natürlichen Baustoffes Bambus nur annäherungsweise möglich ist, andererseits führt die Redodanz (Tragfähigkeitsreserven in Folge von Mehrfachaussteifung) dazu, dass das  Versagen eines einzelnen Bauteils nicht das Kollabieren des Systems nach sich zieht, da in diesem Fall benachbarte Teile das Abtragen der Lasten übernehmen. Dies trifft natürlich nicht nur bei einem vollständigen Bruch eines Bauteils zu, sondern sorgt bei allen Belastungs- oder Festigkeitsschwankungen, von Aussen oder im Bauteil, für einen bestmöglichen Kraftfluss.

Wegen dieser Eigenart sind derartige Systeme für den Einsatz von Bambus als sehr heterogenem Baustoff hervorragend geeignet.

Ausserdem kann angenommen werden, dass Simon Valez bei der Dimensionierung der Tragglieder grösstenteils auf seine Erfahrung und Intuition zurückgreift und nicht auf statische Berechnungen. Dies macht oben genannte Schwierigkeiten belanglos. Die von ihm praktizierte, improvisierende Kontruktionsweise auf der Baustelle beinhaltet auch das einfache Hinzufügen weiterer Teile bei Überlastung.

Im Folgenden wird die grundlegende Zusammensetzung des Tragwerks näher erläutert, anhand von Skizzen des statischen Systems in denen auch die Reaktionskräfte (bei nur vertikaler Belastung) angetragen sind.

Um die konkrete Ausführung des Stabwerks besser nachvollziehen zu können ist in einer zweiten Zeichnung der dazugehörige Momentenverlauf dargestellt. Tragglieder, ob Fachwerk oder vollwandig, sind nämlich dann besonders ökonomisch, wenn sie die Momentenkurve in ihrem Querschnitt nachvollziehen.

In erster Linie besteht der ZERI- Pavillon aus Eingelenkrahmen mit Fusseinspannung in räumlicher bzw. radialer Anordnung.

Sie sind neben dem oekonomischen Abtragen der vertikalen Lasten durch Biege- und Normalkräfte auch zum Erzeugen einer "steifen Scheibe" zur Aufnahme von horizontalen Lasten geeignet.

Der eingespannte Stiel besteht aus zwei Stockwerksrahmen auf die weiter unten eingegangen wird.

Der riesige Dachüberstand ist ein Kragarm mit Fusseinspannung.

Die von ihm in den Stiel eingeleiteten Momente entlasten diesen jedoch in grossen Teilen, dank der umgekehrten Drehrichtung im Vergleich zum vorher beschriebenen System.

Wie oben gesagt besteht der Rahmenstiel aus Stockwerksrahmen von denen der obere als eingespannter Rahmen bezeichnet wird, weil er an allen Punkten biegesteif ausgeführt ist.

Der untere Teil ist ein Zweigelenkrahmen, denn die Anschlüsse an das Fundament können keine Momente aufnehmen. Die steifen Ecken werden durch Kopfbänder erzielt, die allerdings immer zu ungünstigen punktuellen Belastungen in den Stielen führen.

Beim ZERI- Pavillon wurde von den deutschen Baubehörden die zusätzliche (in Kolumbien hat der Pavillon auch so gehalten) Anordnung eines Zugbandes an den unteren Ansatzpunkten der Kopfbänder verlangt. Dies führte vor allem zu einer besseren Begrenzung der Durchbiegung des Emporenbodens, da Kopfbänder und Empore eine Art Bogen bilden, der seine horizontalen Auflagerkräfte an das Zugband abgibt.

Im folgenden wird erklärt wodurch der ZERI- Pavillon gegen Horizontalkräfte wie z.B. Wind ausgesteift wird:

Die als erstes erwähnten Rahmen bilden steife Ebenen in alle Richtungen und verhindern das der Pavillon zur Seite umkippt. Weil diese sich jedoch alle in einem Punkt kreuzen, kann die Kontruktion in sich, um besagten Kreuzungspunkt, verdrehen und einstürzen.

Dies kann nur durch Aussteifungen in der Umfangsebene (theoretisch reicht schon eine, wenn eine steife Dach- und Bodenplatte vorhanden sind: "Drei Seiten + Dach") verhindert werden.

Zur zusätzlichen Standsicherheit werden mehrere ringförmige horizontale steife Scheiben ausgebildet. Diese werden entweder durch Verbände in der Untergurtebene des Dachbinders, die Betondecke der Empore oder den Erdboden erzeugt. In die statischen Berechnungen der deutschen Behörden wurden diese zwar nicht mit einbezogen, sie sorgten jedoch für die wesentlich besseren Ergebnisse der Tests am fertigen Bauwerk.

 

Elemente des Tragwerks


14) "Bild 5. Vertikalschnitt"


15) "Bild 4. Aufbau Geschoßebene"


16) "Bild 3. Dachaufbau"


17)


18) "Tabelle 3. Elastische Bauwerksverformung"


19) "Tabelle 1. Materialkennwerte"

Dach
Das Dach des Pavillons ist zehneckig und kragt 7m über die Emporenebene hinaus. Es hat einen Durchmesser von 40m und ist an der Traufe 7m und am First 14,5m hoch. Die Dacheindeckung besteht aus 9mm dicken bambusbewehrten Zementschindeln, die in eine 3cm dicke Mörtelschicht eingebettet sind. Diese Mörtelschicht gibt zusammen mit einer unterhalb angeordneten Streckmetallschicht die Dachlasten an die Sparren weiter. Die Sparren sind in einem engen Abstand radial konzentrisch angeordnet und geben wiederum die Last an 10 ringförmig um das ganze Dach laufende Pfetten weiter.
Fachwerkbinder
Die Pfetten geben ihre Last weiter an 40 radial angeordnete und in einem Winkel von 9 Grad zueinander stehende Fachwerkbinder. Jeder zweite Binder ist nicht direkt unterstützt, sondern gibt seine Auflagerkräfte über Diagonale Stäbe und Ringe am Kopf der Stützen an diese weiter. In der Höhe der Stützenköpfe befindet sich parallel zur Emporenebene ein ringförmiges Fachwerk, das zur Verteilung der horizontalen Lasten dient. Die einzelnen Elemente der Binder setzen sich aus "Bündeln" von bis zu 8 Bambusstäben zusammen. Nur an den Anschlusspunkten wo, die Lasten an die Stützen abgegeben werden, sind die einzelnen betroffenen Internodien zusätzlich mit Mörtel verfüllt. In allen anderen Bereichen des Binders kommen nur Stahlstangen für die Verbindung der Rohre zum Einsatz.
Empore
Die Empore setzt sich aus mehreren Schichten zusammen. Die unterste tragenden Schicht besteht aus radial und ringförmig angeordneten guadua Bambusrohren, die in den Knotenpunkten durch Kopfbänder unterstützt werden. Auf diesen Bambusstäben liegt eine Lage radial angeordneter und mit halbschalenförmigen Querschnitt ausgeführte arboloco-Stäbe. Auf diese Lage werden bündig aneinanderliegend Chusque Bambusstäbe mit einem Durchmesser von 2 bis 3cm gelegt, die als verlorene Schalung für die Stahlbetondecke dienen. Die gegossene Stahlbetondecke ist nur 8cm dick und Platte und Scheibe lastverteilend für vertikale und horizontale Lasten.
Stützen
Die äußeren Stützen bestehen aus jeweils 6, die inneren Stützen aus jeweils 4 gebündelten aliso Rundhölzern. Sie werden durch Gewindestangen und Stahlbänder verbunden. Nur 2 der 6 bzw. 4 Rundhölzer geben die Lasten an die Fundamente ab, die anderen Rundhölzer dienen zur Reduzierung der Biegebeanspruchung. Zur Aussteifung in Umfangsrichtung sind in der Höhe der Kopfbänder und der Empore umlaufend Kopfbänder angeordnet. Für die Kopfbänder wurde der untere sehr stabile Abschnitt der Bambuspflanze mit Wurzelansatz verwendet.
Fundamente
Die inneren Stützen stehen auf einem Fundamentring und die äußeren Stützen auf Einzelfundamenten, die durch Fundamentbalken miteinander verbunden sind.

 

Verbindungen


7) "Bild 8. Verbindung der Bambusstäbe"


8) "Bild 12. Detail Fußpunkt"


9) "Bild 14. Details Kopfbänder"


10) "Bild 14. Details Kopfbänder"


11)


12)


13) "Bild 11. Detail Traufe"

Um zwei Bambusrohre zugfest miteinander zu verbinden wurden 2 verschiedene Anschlusstypen angewandt.
Typ A     Eingemörtelte Gewindestangen
Es werden 2 bis 3 Internodien von außen und die gleiche Anzahl von Nodien vom Ende des Rohres aus angebohrt. Nun wird durch die Löcher der Nodien eine Stahlstange geschoben und danach die Internodien von außen mit Mörtelinjektionen verfüllt und somit die Stahlstange zugfest eingegossen. Auf die Stahlstange am Ende des Rohres kann nun ein zweites Rohr gesteckt werden, indem dieses zweite Rohr von außen in der Mitte einer Internodie komplett durchbohrt wird. Das Rohr kann nun auf das Ende der Stahlstange gesteckt werden. Die Internodie des zweiten Rohres, durch das die Stahlstange läuft, wird nun noch einmal einfach von außen angebohrt und mit Mörtel verfüllt. Nun kann man ein Gewinde auf das Ende der Stahlstange schneiden und durch Auflegen einer der Rundung des Stammes angepassten Unterlegscheibe und Anziehen der passenden Mutter die beiden Rohre zugfest miteinander verbinden. Die speziell gegossenen Unterlegscheiben sind wichtig, da sich die Mutter alleine beim Anziehen in den Stamm pressen und diesen aufsplittern würde.
Typ B    Seitliche Stahllaschen und vermörtelte Bolzen
Bei dieser Variante werden 2 bis 3 Internodien am Ende eines Rohres von außen komplett durchbohrt. Durch diese Löcher werden Gewindestangen gesteckt, die betroffenen Internodien noch einmal einfach angebohrt und mit Mörtel verfüllt. Die Gewindestangen gucken an beiden Seiten des Rohres heraus, so dass nun ein Flachstahl auf der einen Seite des Rohres mit Hilfe der Gewindestangen verschraubt werden kann. Auf das Enden dieses Rohres wird nun ein zweites Rohr gelegt über das der Flachstahl auf die andere Seite des ersten Rohres mit den eingemörtelteten Gewindestangen geführt und dort verschraubt werden kann. Der Flachstahl zieht bzw. presst also das zweite Rohr wie ein Gürtel oder eine Schlinge fest an das erste Rohr. Die Internodie des zweiten Rohres, über die der Flachstahl läuft, muss ebenfalls mit Mörtel verfüllt werden, damit das Rohr in diesem Bereich nicht "zerquetscht" wird. Der Flachstahl am ersten Rohr wird wiederum mit der Hilfe von speziellen, vorgekrümmten Unterlegscheiben verschraubt.

   

Bau

 


20)


21)


22) "Bild 10. Bearbeiten des Bambus mit den Stemmeisen"

Da lediglich die verwendeten Materialien Baustahl, Betonstahl und Beton in Deutschland geregelte Baustoffe sind, die wesentlichen tragenden Materialien aber aus dem Bambus guadua angustifolia und dem Holz aliso bestehen, musste in Kolumbien zunächst ein Prototyp errichtet werden, der die generelle Baubarkeit beweisen sollte. Auch für die Verbindungen der Stäbe durch Stahlstangen und -bänder mit Hilfe von Mörtelinjektionen gab es keine gesicherten Werte. An diesem Pavillon wurden Vorversuche durchgeführt um die Sicherheit des Bauwerks abzuschätzen. Der Pavillon hielt diesen Belastungen stand, was aber zu keiner Aussage über den Bau eines baugleichen Typs in Hannover führen konnte, da die Unwägbarkeiten hinsichtlich fehlender Kennwerte und Differenzen in der Ausführung zu groß waren. Da der Pavillon aber generell den Vorversuchen standgehalten hatte, entschloss man sich für den Bau eines gleichen Typs auf der EXPO. Für das Baugenehmigungsverfahren wurde deshalb bei der obersten Baubehörde ein Antrag auf Zulassung im Einzelfall gestellt. Um diese Zustimmung zu erhalten mussten folgende Maßnahmen durchgeführt werden:
a)    Vorversuche am Prototyp in Kolumbien zur Abschätzung des Sicherheitsniveaus
b)    Bauteilversuche (Bambus guadua, Holz aliso, Verbindungen) zur Ermittlung der mechanischen Kennwerte
c)    Erstellung der statischen Berechnung
d)    Experimenteller Nachweis der Trag- und Gebrauchsfähigkeit am fertigestellten Pavillon in Hannover
e)    Qualitätssicherung (Vorsortierung in Kolumbien, Überwachung durch eine Materialprüfanstalt, bauaufsichtliche Bauüberwachung.
Die oben angeführten Maßnahmen wurden vor, während und nach dem Bau des Pavillons ausgeführt. Um den Pavillon mit der gleichen handwerklichen Präzision wie in Kolumbien zu errichten, bauten 40 Handwerker den Pavillon auf der EXPO auf, die auch am Bau des Prototyps beteiligt waren. "Der Aufbau des Pavillons begann mit der Dachkonstruktion. Zunächst wurden der Firstring, der Traufring und die mittleren Pfettenringe hergestellt und auf Gerüsten aufgelagert. Die Ringe wurden durch die Binderobergurtstäbe miteinander verbunden. Anschließend fertigte man den inneren und äußeren Ring am Kopf der Holz-stützen. Zwei tragende Holzstäm-me unterstützen die Ringe. Nach Ausrichtung der Holzstützen wur-den die Stützenfußpunkte fertiggestellt. Die geometrischen Eckpunkte waren damit fertiggestellt. Die Untergurtstäbe und Füllstäbe des Binders sowie der Verband in Untergurtebene wurden nun ergänzt. Parallel wurden die Kopfbänder in Umiangsrichtung und die Bambusstäbe in der Geschoßebene eingebaut. Ab Anfang April begann man mit der Herstellung der Unterkonstruktion aus arboloco--Stäben und chusque für die Stahlbetondecke. Mitte April wurde der Mörtel auf dem Dach und der Beton in der Geschossebene eingebracht. Die relativ geringen Ausbau-arbeiten erfolgten im Mai. Paral-lel dazu wurde der Großversuch durchgeführt." Baubeginn war im Februar 2000 und bereits im Mai konnten die geringen Ausbauarbeiten durchgeführt werden. Nach dem Ende der EXPO wird der Pavillon wieder abgebaut.

Berechnung des Tragwerks


23) "Bild 19. Emporen-Testmasse aus Wasserfässern"


24) "Bild 21. Rahmentest durch Kettenzüge gegen die Fundamente"


25) "Bild 18. Kragdach-Testmasse aus Pflastersteinen"


26) "Bild 29. Emporentest-Lastverteilungsgeschirr"


27) "Bild 33. Meßstand mit Hydraulikpumpenwagen und Online Meßanlage"


28) "Bild 30. Rahmentest-Schrägzug der Emporenebene"

Bemessung und Berechnung des Tragwerkes
Bemessung der Bauteile
Die Bauteile wurden nach zwei Vorgehensweisen berechnet. Zunächst wurden bekannte Festigkeitswerte aus der Literatur und später die eigenständig ermittelten Werte der Materialprüfanstalt in Stuttgart verwendet. Nach der ersten Methode (Literatur) wurde für die schlankheitsabhängige Reduzierung der Druckfestigkeit mit den Zahlen für NH S10 gerechnet. In Stuttgart wurden unterschiedlich schlanke Stäbe für die Ermittlung der Festigkeitswerte untersucht und festgestellt, dass die Tragfähigkeit höher ist als nach der Rechnung mit den aus der Literatur bekannten Werten. Für die Biege- und Schubtragfähigkeit wurden jedoch geringere Werte ermittelt. Auch die Verbindungen (Stahlstangen in Mörtelinjektion) wurden in 2 verschiedenen Schritten berechnet. Die erste Berechnung erfolgte mit den Werten, die man aus den Vorversuchen in Kolumbien ermittelt hatte. Für die zweite Berechnung wurden die Werte der Materialprüfanstalt herangezogenund mit den Werten aus der ersten Rechnung abgeglichen.
Qualitätssicherung
"Die Qualitätssicherung für die Bambusstäbe und Holzstäbe geschah baubegleitend. Die Holzstämme waren in An-lehnung an DIN 4074 (Güteklasse 1 bis 3; Beschaffenheit: Risse, Verfärbungen, Schädlingsbefall) vorsortiert. Vor Ort wurden die Stämme vom Tragwerksplaner und stichproben-artig vom Prüfingenieur und der Materialprüfanstalt überprüft. Von den Lieferungen wurden Testkör-per an die FMPA Stuttgart ge-schickt und die Übereinstimmung mit den Stämmen für die Versuche bescheinigt." Die Bambusstäbe sollten zwar auch nach bestimmten Wanddicken und Durchmessern vorsortiert werden, doch die gelieferten Stäbe wichen so stark von den Vorgaben ab, dass sie noch einmal in drei Klassen von tragend bis nichttragend nachsortiert werden mussten. Drei Bambusstäbe aus jeder Lieferung wurden zur Materialprüfanstalt geschickt, um zu überprüfen, ob diese Stäbe die gleiche Beschaffenheit haben, wie die Stäbe zur Ermittlung der Festigkeitskennwerte.
Berechnung des Tragwerkes
"Für die Berechnung des hochgradig unbestimmten Systems "war ein hybrider Ansatz angezeigt, der durch experimentelle Nachweise der wesentlichen Tragglieder in situ die Berechnungsannahmen verifizieren und die Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit gewährleisten konnte." "Die Testergebnisse (Verformungsmessungen) zeigten einheitlich eine gute Übereinstimmung zwischen den Belastungsversuchen und der statischen Berechnung." Ergänzend zu den Ergebnissen aus den anderen Prüfverfahren konnte somit die Tragsicherheit und Gebrauchsfähigkeit des Pavillons nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Versuche in Kolumbien und in Hannover wurden zusammen mit den Rechenergebnissen verglichen. Die Versuche an der Empore und am Kragarm lieferten annähernd identische Ergebnisse, während die Rahmenkonstruktionen nach den Versuchen wesentlich verformungsbeständiger sind als nach der Rechnung.
Die Differenzen können wie folgt erklärt werden:
1) Die Dachkonstruktion (3cm dicke mit Streckmetall bewehrte Mörtelschicht) wirkt als lastverteilende Scheibe für Horizontalkräfte und steift gleichzeitig die Binderobergurtebene aus.
2) Die aus Bündeln bestehenden Stützen werden durch Gewindestangen und Stahlbänder verbunden. Die einzelnen Stäbe werden aneinandergepresst und durch die Reibung untereinander entsteht ein nachgiebiger Schubverbund, der jedoch bei der Rechnung nicht berücksichtigt wurde.

 
Die Wiederverwendung des Zeri-Pavillons  

29) Landart-Projekt

 

Nach der Expo 2000 wurden die Pavillons abgerissen, im Falle Zeri überlegte man lange, ob es andere Nutzungen gäbe, die dem Pavillon das Überleben sichern würde.

Ein vollständige Übernahme war jedoch nicht möglich, und so kam es, dass Stephan Krämer und Liame Semke, zwei Architekten aus Hamburg, die durch Behördenwillkür ihr kürzlich erst renoviertes Haus abreißen mussten, einige Teile des Pavillons in einem Landart Projekt auf dem Grundriss ihres ehemaligen Hauses in Schleswig Holstein verarbeiteten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassung

Der Organisation ZERI ist es unter ästhetischen, technischen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten gelungen ein hervorragendes Bauwerk zu errichten, welches sehr gut mit dem Thema der EXPO "Mensch-Natur-Technik" harmonisiert. Die konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten des ökonomischen, ökologischen Baustoffes Bambus wurden auf beeindruckende Weise vorgeführt und haben eine Basis für die Zukunft dieses Baustoffes gelegt. Die in so kurzer Zeit durchgeführten Prüfungen und die beeindruckenden Fähigkeiten des Materials und der schnelle Aufbau des Pavillon regen somit an sich weiter mit diesem Baustoff zu beschäftigen und ihn zu einer festen Größe unter den schon vorhandenen Baumaterialien werden zu lassen.

Quellen

Textquellen

  • Josef Lindemann / Klaus Steffens. Der Bambus-Pavillon zur EXPO 2000 in Hannover. Ein Schritt zurück in die Zukunft. In: Bautechnik. Nr. 7. 77 Jahrgang. Juli 2000. S. 484-491.

  • Josef Lindemann / Klaus Steffens. Der Bambus-Pavillon zur EXPO 2000 in Hannover. Ein Schritt zurück in die Zukunft. In: Bautechnik. Nr. 6. 77 Jahrgang. Juni 2000. S. 385-392.

Bildquellen

  • 3)5)6)7)8)9)10)13)14)15)16)19)22) Josef Lindemann / Klaus Steffens. Der Bambus-Pavillon zur EXPO 2000 in Hannover. Ein Schritt zurück in die Zukunft. In: Bautechnik. Nr. 6. 77 Jahrgang. Juni 2000. S. 385-392.

  • 4)18)23)24)25)26)27)28) Josef Lindemann / Klaus Steffens. Der Bambus-Pavillon zur EXPO 2000 in Hannover. Ein Schritt zurück in die Zukunft. In: Bautechnik. Nr. 7. 77 Jahrgang. Juli 2000. S. 484-491.

  • 1)2)11)12)20)21) http://www.zeri.org/

  • 17)


erstellt am: 7.12.2000   geändert am: 23.04.2004   geändert von: Tobias Gilich    Autor: Tobias Gilich