Der Vergiate-Pavillon

erstellt von Jan Mikolajczak und Manuel Geis am 27.01.2004 im Rahmen des Bambusseminars 04, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen - RWTH Aachen

Der Bambus Pavillon in Vergiate, Nord Italien

emissionizero


Geschichte





Dieser Pavillon, der zur Zeit das größte Gebäude aus Bambus ist, wurde nach einer 9-monatigen Bauzeit 2003 fertiggestellt. Die Idee zu diesem Bau wurde stark angeregt durch die Aktivitäten von ZERI (Zero Emission Research and Initiatives), die erfolgreich den EXPO Pavillon errichtet hatten. Dadurch inspiriert wurde die Organisation „emissionizero“ durch Valeria Chioetto in Italien gegründet. Auch diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt umweltgerechtes Bauen zu fördern und neue Wege zu gehen.
Emissionizero arbeitete zunächst mit dem Polytechnikum Mailand zusammen, wo gemeinsam Grundlagen der Bio-Architektur erarbeitet wurden und an deren Konstruktionen gearbeitet wurden. Hierbei wurde auch die Möglichkeit des Bauens mit Bambus erforscht.


Der Baustoff Bambus mit seinen hervorragenden Eigenschaften wurde zunehmend interessanter und so machte sich emissionizero 2002 auf die Suche nach einen Partner für ihr Projekt „Bauen mit Bambus“. Es wurde zur Realisierung eine Gemeinde oder Stadt gesucht, die zum einem ein Grundstück zu Verfügung stellen wollte, und zum anderen sich vorstellen konnte einen Bambuspavillon zur öffentlichen Nutzung zu unterhalten.


Die Stadt Vergiate, in der Nähe von Mailand, war dazu bereit, dieses Projekt zu unterstützen. Der dortige Ticino-Park bot genügend Platz für das Projekt. Neben der ursprünglich geplanten Hauptnutzung des Pavillon als kultureller Veranstaltungsort wurden in ihm aufgrund der besonderen Bambuskonstruktion mehrere Workshops zu diesem Thema abgehalten.


Grundriss



Konstruktion




Die Struktur, inspiriert durch eine Skizze des kolumbianischen Architekten Simon Velez, besteht aus 15 zweiteiligen Binder mit einem Abstand von 2 m. Jede dieser Binder wird getragen von dreiteiligen Stützen, bestehend aus einem vertikalen und zwei geneigten Bambushalmen.

Der entstandene Bau gliedert sich in drei Teile, einem Mittelbau, der eine Höhe von 7 m besitzt, und zwei um einen Meter niedrigere Gebäude, die sich rechts und links anschließen. Die Grundfläche beträgt 32 x 16 Meter, rund 500 m2.



Das statische System besteht aus Fachwerkbindern, die auf Stützen gelagert sind. Die Fachwerbinder verhalten sich wie die Sparren eines Sparrendaches, es treten Biege- und Normal-(Druck) kräfte auf. Die entstehenden Horizontalkräfte werden über ein Stahlseil aufgenommen.

Die Stützen sind hauptsächlich auf Druckkraft belastet. Sie sind jeweils aufgeteilt in drei einzelne Bambushalme, von denen zwei V-förmig angeordnet sind, um so für eine ausreichende Windaussteifung zu sorgen. Der Fachwerkbinder ist so ausgebildet, dass ein großer Dachüberstand entsteht, welcher für den Holzschutz notwendig ist.


Die Konstruktion besteht aus 400 Guadua Angustifolia-Bambushalmen. Zur Verbesserung der Haltbarkeit wurde diese in Pereira, Kolumbien, durch das Räucherverfahren zusätzlich imprägniert.
Durch die verschiedenen Dachflächen und die völlig offene Konstruktion entsteht ein leichter und transparenter Eindruck.


Bauphase





Der eigentlich Bauprozess gestaltete sich auch als ein „learning by doing“-Workshop.
Zwar besaßen die Leute von emissionizero ein ausreichendes Fachwissen in der Theorie aber es gab keine Facharbeiter oder sonst jemanden, der über die Erfahrung verfügte mit Bambus zu bauen.
So wurde der Pavillon zunächst mit Bambus-unerfahrenen Handwerkern unter der technischen Leitung Neri Braulin (Foto: 4. v.r.) errichtet. Zusätzlich wurde das Projekte von dem bekannten kolumbianischen Architekten Simon Velez beraten.

Bei der Errichtung des Pavillon wurde zunächst das Dach auf einem Gerüst errichtet, welches später durch die Bambusstützen ersetzt wurde.

Bauabschnitte:


1. Einrichtung der Baustelle
2. Auswahl der Bambusstangen für die 15 Dachbinder
3. Vorfertigung der Bambushalme: Zurechtschneiden, Herstellung der Kopfanschlüsse, Einbau der Gewindestangen, verschrauben mit Muttern und Unterlegscheiben
4. Gerüstaufbau
5. Aufbau der zweiteiligen Binder auf dem Gerüst
6. Befestigung der Pfetten
7. Aufbau der Sparren
8. Füllung der Anschlüsse mit Zement
9. Dachaufbau mit Holzpanelen und Dachschindeln
10. Befestigung der Stützen an die Binder mit Gewindestangen
11. Ausrichten der Stütze und Vorbereitung des Fundaments
12. Spannen der Zugseilen
13. Gießen der Stahlbeton-Fundamente
14. Abbau des Gerüstes









Nach Fertigstellung wurde der Pavillon einem statischen Test unterzogen. Dabei wurde die Belastung durch starken Schneefall (1400 kg) und Wind (500 kg) simuliert. Die Verformung war messbar, befand sich jedoch im Sollbereich. Somit konnte der Pavillon als erstes permanente Bambus-Gebäude in Europa der Öffentlichkeit zu Verfügung gestellt werden.












Herstellung Fischmaulanschluß












Ausrichtung des Fachwerkträgers auf dem Boden












Zusammenbau Fachwerkträger


Details







Die Stützen sind auf Betonsockeln gelagert um diese vor Feuchtigkeit zu schützen. Die Verbindung zwischen dem Bambus und dem Betonsockel erfolgt über eine 20 mm starke Gewindestange, welche im Bambus einbetoniert ist.

Die Verbindung der einzelne Bambusstäbe im Fachwerkbinder ist vergleichbar, hierbei kommen auch einbetonierte Gewindestangen zu Einsatz. Die Fixierung der Gewindestange im Bambusrohr erfolgt über einen zweite kurze ortogonal angeordnete Stange, welche am Bambus verschraubt ist. Die Verbindung der Stangen untereinander erfolgt über eine Metallöse.


Detail 1: Anschluß Fundament-Stütze



Detail 2: Anschluß Binder/Stütze


Detail 4: First



Detail 3: Dachaufbau Traufe










Ansicht











Längsschnitt



Quellenangaben

Architettura OFX Ausg. 74

Bambus Journal, 2003, 14. 4 Text von Walter Liese


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