Einführung |
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Neben den geraden Stäben behandelt das IL31 Beispiele von Konstruktionen, deren Form durch den Einbau von gekrümmten und somit vorgespannten Stäben bestimmt wird. Die Besonderheit von gekrümmten Stäben besteht darin, dass sie unter Belastung eine zum dünnen Ende hin zunehmende Biegung aufweisen. Aus dieser Eigenschaft ergeben sich umfangreiche Gestaltungs- und Konstruktionsmöglichkeiten. |
Konstruktionssysteme |
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![]() Form wird durch asymmetrische Biegelinie bestimmt
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BögenDie Form eines einfachen Bogens wird von der Biegelinie bestimmt. Da die Querschnitte sich verändern, entspricht die Biegelinie nicht einer Parabelform.Sie ist außerdem abhängig von der Art der Auflager. Insbesondere eine von der Biegelinie abweichende Richtung der Einspannung führt durch Einbringung eines zusätzlichen Moments zu einer neuen Form des Trägers. Während bei Stabtragwerken eine Unterspannung die Tragfähigkeit verstärkt, führt sie bei Bögen aus konisch zusammenlaufenden zu Formveränderungen. Durch Addition von Bögen können durch unterschiedliche Anordnungen die verschiedensten Gebäudeformen erschaffen werden, wobei die Bögen durch Ein- oder Abspannung (z.B. im Verband mit anderen Bögen) gegen Umkippen stabilisiert werden können. |
![]() Symmetrie durch Addition von Stäben
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Zusammengesetzte BögenDurch Zusammensetzung mehrerer Stäbe lassen sich symmetrische (bei annähernd gleichen Querschnitten) Konstruktion erstellen. Wie bei den einfachen Bögen ist die Form sehr stark abhängig von der Art der Lagerung.Längere Bögen können räumlich stabilisiert werden, wodurch die zwischenliegende Knicklänge reduziert wird. Durch Addition von zweifach zusammengesetzten Bögen entstehen räumliche Konstellationen, wobei durch Veränderung der Länge über elliptischen Grundrissen Kuppelformen erzeugt werden können. Eine weitere Möglichkeit in der Formgebung besteht in der gekreuzten (Gitterschalen) sowie in der zentralsymmetrischen Addition. |
![]() Gitterschalen / Gelenkige Verbindungen
![]() Parallele, steife Verbindungen
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Unterschiedliche VerbindungenSpeziell formgebend ist auch die Art der Verbindung.Neben oben behandelten, besteht die Möglichkeit der gelenkigen Verbindung, die Spitzbögen hervorruft. Wenn die Stabenden parallel miteinander verbunden werden, können durch Einspannung der anderen Enden zwiebelförmige Geometrien erzwungen werden. |
![]() Konstante / konisch zulaufende Querschnitten
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UebersichtNebenstehendes Bild zeigt eine Übersicht der verschiedenen Bogenformen im Vergleich mit gekrümmten Stäben konstanten Querschnitts. Sie wurden anhand von Modellversuchen mit gespanntem Federstahl sowie konisch zusammenlaufenden Schaumstoffstreifen untersucht. |
![]() Bambusbrücke in Japan
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Bauen mit gebogenem BambusBei Stabtragwerken mit geraden Stangen wird in der Regel nur das untere Drittel eines Bambusrohres verwendet. Bei Verwendung der vollen Länge ist eine Ausnutzung der natürlichen Krümmung unumgänglich. Aufgrund dessen ist bei dem Entwurf von Bauten mit langem Spannweiten die Verwendung von gebogenen Formen ratsam. Bei derartiger Verwendung entstehen die für die Bambusbauweise typischen Formen.Wird die tragende Konstruktion aus gespaltenem Bambus errichtet, ist die gekrümmte Form unvermeidbar. |
Gitterschalen |
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![]() Bambushütte in Südäthiopien
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Moderne Konstruktionen aus gespaltenem BambusWird die tragende Konstruktion eines Bauwerks aus gespaltenem Bambus errichtet, ist die gekrümmte Form unvermeidbar. Auf diese Art und Weise können relativ große Hütten aus Bambus errichtet werden.Traditionelles Beispiel sind die Hütten des Dorse Volkes auf der Gamu Hochebene in Südäthiopien, die in einer komplizierten Technik aus ineinander verflochtenen Bambusbrettern gefertigt sind. Bambusbretter entstehen durch Aufspaltung von Bambusrohren. Die Möglichkeiten der Konstruktion mit gespaltenen, druckbeanspruchten, gekrümmten Bambusstangen wurden in Zusammenarbeit des Instituts für leichte Flächentragwerke, Stuttgart (IL) mit der School of Architecture (SA), Ahmebad, Indien in verschiedenen Untersuchungen durchgeführt. Man bemühte sich, neue Konstruktionsweisen durch die Verbindung von handwerklicher Bambustradition mit moderner Leichtbauweise zu untersuchen. Derartige Versuche konnten aufgrund der handwerklichen Fähigkeiten der Arbeiter nur in Indien stattfinden. Hauptgesichtspunkt war die Untersuchung von in gespaltenem Bambus ausgeführten Gitterschalen. |
![]() Gitterschale als Umkehrung der Kettenlinie
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GitterschalenGitterschalen sind eine am IL entwickelte Konstruktion, bei der dünne Stäbe ein räumliches Tragwerk bilden. Das zu Grunde liegende Prinzip ist die Umkehrung der Kettenlinie zur Stützenlinie eines Bogens. Am Boden liegende gespaltene Bambusstangen werden in einem quadratischen Raster miteinander verbunden. Das entstandene Gitter wird in die der Hängeform entsprechenden Form gebracht und anschließend in den Kreuzungspunkten fixiert.Gitterschalen sind eine bereits mehrfach erprobte Form von leichten Flächentragwerken. In den durchgeführten Versuchen sollten ihre Machbarkeit in Bambus erfasst werden. Insbesondere folgende Fragen wurden untersucht: 1. Feststellen der Auswirkungen von materialbedingten Unregelmäßigkeiten auf die Form und das Tragverhalten der Gitterschalen. 2. Entwicklung und Erprobung materialgerechter Details (Knoten, Längsstoß, Randausbildung, Befestigung des Gitters am Rand, Formfixierung, etc.) 3. Optimierung der Montage und der Formeinstellung (besonders wichtig bei größeren Spannweiten) 4. Feststellen der Tragfähigkeit der Gitterschalen und Erforschung sinnvoller Spannweiten 5. Entwicklung von Dacheindeckung und Innenausbau |
![]() Fertige Gitterschale
![]() Detailausbildungen |
In verschiedenen Versuchen wurden verschiedene Konstruktionsformen betrachtet: Versuch 1: Aus gespaltenem Bambus (1/8 eines Bambusrohres) wurde eine Doppelkuppel mit insgesamt 7,5 m Länge entwickelt. Die Kosten des Materials beliefen sich auf etwa 80 DM. Als Verbindungsmöglichkeiten wurden Längsstoß sowie einen einfache gebundene Knotenverbindung verwendet. Die Stabilisierung erfolgte durch Kokosfaserseile. Die Untersuchung ergab bei einer aufgebrachten Flächenlast von ca. 122N/m² geringe Verformungen der Gitterschalen. |
![]() Stabilisierung / Aufbringung von Punktlasten
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Versuch 2: In einem weiterführenden Versuch wurde der größere Teil der Kuppel demontiert und der kleinere Teil mit einem sekundären Gitter, was diagonal zum primären Gitter verlief, verstärkt. Durch diese Verstärkung erhöhte sich die Tragfähigkeit um ein Vierfaches. Auch aufgebrachte Punktlasten verursachten keine nennenswerten Verformungen. |
![]() ![]() Masstabsgetreues Modell
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Versuch 3: Der dritte Versuch im Februar 1984 bestand aus einem form- und materialgerechten Modell einer Gitterschale wie in Versuch 2 mit 9m Spannweite im Maßstab 1:5. Der Versuch brachte Ergebnisse zu möglichen Spannweiten und zu dem Verhalten bei Montage und zur Formeinstellung. Die Ergebnisse der Belastungsversuche ergaben eine aufnehmbare Flächenlast von 250-330 N/m² und einen aufnehmbaren Windlastdruck von 500 N/m². Schlussfolgerung 1. Gespaltener Bambus ist gut geeignet für Gitterschalen. 2. Es gibt keine wesentliche Probleme durch materialbedingte Unregelmäßigkeiten. 3. Die Formtoleranzen können durch die entsprechende Auswahl und die entsprechende Anordnung der Stäbe im Gitter kompensiert werden. 4. Die aus dem traditionellen Bambushandwerk entwickelten konstruktiven Verbindungen haben sich bewährt. 5. Die harmonische Krümmung wird im Gegensatz zu Bohrungen durch Knoten nicht gestört. Das entgültige Bindematerial ist noch nicht geklärt. 6. Bei größeren Gittern ist die Vorbereitung des Gitters für die Montage sehr wichtig. 7. Die maximalen Spannweiten bei Verwendung von gespaltenem Bambus und einem diagonalen Sekundärgitters liegen bei ca. 10m. Abhängig ist das natürlich von der Bambusart; größere Spannweiten sind bei Vollprofilen zu erwarten. |
Gitterschalendetails |
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![]() ![]() Gitterschale |
Detail-Untersuchungen an einer BambusgitterschaleDie hier vorgestellte Arbeit entstand in Zusammenarbeit mit Studenten der Fachhochschule Aachen und hatte das Ziel, für Entwicklungsländer erdbebenwiderstandsfähige, billige Konstruktionen aus örtlichen Materialien zu entwickeln, die in Selbsthilfe errichtet werden können. Die zu verwendenden Werkzeuge sollten möglichst einfach und die Verbindungsmittel jederzeit verfügbar sein.Die für diesen Zweck entwickelte Bambusgitterschale war im Grundriß quadratisch und 6x6m groß. Der Rand bestand aus einem Stabbündel mit der Funktion eines Ringbalkens. Aufgelagert auf eine darunter liegende Wandkonstruktion, sorgt er für die gleichmäßige Verteilung der Lasten und hält die Schale zusammen. |
![]() ![]() ![]() Verschiedene Knotenpunkte |
Der erste entwickelte Detailpunkt war ein "Gummiknoten", bei dem die Bambusstäbe mit einer Zwischenlage aus Gummi straff aufeinander gebunden waren. Der Knoten leistete einen Widerstand von 0,6 kN gegen Verschieben. Bei weiterer Belastung verschiebt sich der Querstab bis zum nächsten Nodium. Bei einer Belastung von 2,5 kN versagte ein Stab infolge von überschrittenen Querdruckspannungen. Bei dem zweiten Knoten, dem "Splintknoten" erfolgte die Verbindung der Stäbe durch einen Bambussplint. Bei dem ersten Versuch ging dieser Splint nur durch eine, beim zweiten Versuch durch beide Stabwände. Beim Versuch 1 betrug der Verschiebungswiderstand 0,5 kN. Dann wurde die Lochlaibungsspannung überschritten und der Splint kippte in die Bohrung. Beim zweiten Versuch betrug der Verschiebungswiderstand 2,5 kN. Das Versagen trat bei der Überschreitung der Querdruckspannungen an der Lasteinleitungsstelle im Stab ein. Dieser zweite Splintknoten wurde schließlich bei dem Versuchsbau verwendet. Damit die Gitterschale in der Form gehalten wird, muß eine Veränderung der Winkel verhindert werden. An der Fachhochschule Aachen entschied man sich für die Fixierung der Eckmaschen mit der größten rhombischen Verformung durch Zugdiagonalen Fazit: Die Gitterschale ist eine billige und relativ erdbebensichere Alternative zu traditionellen Dachkonstruktionen in Entwicklungsländern und im Selbstbau gut herstellbar. |
Korbschalen |
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![]() Korbschale mit Belastung |
Korbschale aus gespaltenem BambusDas Institut für leichte Flächentragwerke untersuchte auch das Tragverhalten von Kuppeln, hergestellt in traditioneller Korbflechttechnik. Dazu wurde eine kleine Kuppel nach Angaben des Instituts von einem indischen Handwerker in der üblichen radialen Flechttechnik hergestellt.Die Form entsprach im Wesentlichen einer Hängeform und hatte einen Durchmesser von 56cm, eine Höhe von 25cm und ein Gewicht von 865p. Bei einem Belastungstest mit einer Gleichlast von 1000 N/m² Grundfläche bzw. 630 N/m² Oberfläche gab es keine messbaren Verformungen in der Fläche. Der freie Rand des Korbes senkte sich nach mehreren Tagen Belastung um 2cm. Bei einer Vergrößerung um den Faktor 7 entsprächen die Bambusstreifen dem Durchmesser eines Bambusrohres mit einem Durchmesser von 4cm. Das Eigengewicht betrüge 296kp (25,5kp / m² Grundfläche). Die Kuppel wäre praktisch gleich belastbar mit 1000 N/m² Grundfläche. |
Bögen und Tonnen |
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![]() ![]() Hängende / Stehende Bogenkonstruktion |
Bogenkonstruktionen und Tonnen aus BambusIm Forschungslabor für experimentelles Bauen, Universität Kassel werden ebenfalls Versuche zum Bauen mit Bambus durchgeführt. Besonderer Augenmerk gilt der Entwicklung von bogenförmigen Tragwerken, die zunächst hängend konstruiert und schließlich andersherum aufgestellt werden. Mit derartigen Konstruktionsmöglichkeiten ließen sich sehr tragfähige Konstruktionen entwickeln. Belastungstests zeigten, dass die horizontalen Rohre auch im asymmetrischen Lastfall für eine gute Verteilung der aufgebrachten Kräfte sorgetn. Im Anschluß wurde die Konstruktion mit Grassoden eingedeckt. |
Verschiedenes |
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![]() ![]() Doppelt gekrümmte Gitterschale
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Verschiedene Projekte1. Doppelt gekrümmte Gitterschale, entwickelt an der Universität Francisco Marroquin, Guatemala |
![]() ![]() Verkaufsstand
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Engmaschige Gitterschale aus gespaltetem Bambus, gedeckt mit einem PVC beschichtetem Baumwollgewebe, als Schutzdach für einen Verkaufstand |
![]() ![]() Sehr robustes Tragwerk
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Gitterschalenkonstruktion, die lediglich 2kN wiegt, über 6m spannt und die Lasten von insgesamt 200 kN (100 fache des Eigengewichts) aufnehmen kann. |