Traditionelle
Bambusarchitektur von
Mattias Zucchetti
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1) Thailand - mit eigenen Augen Das erste, was mir auf meiner Reise Ende August und September im Norden Thailands aufgefallen ist, waren die Tempelbauten vor Ort. Sie bestehen zwar aus Stein und/ oder Holz, dennoch bedarf es seit hunderten von Jahren auch des Bambus-Grases, sobald es in die Höhe geht. Das Beispiel auf dem nebenstehenden Foto zeigt einen Phra Chedi ( Stupa ), Chiang Mai . Urprünglich nahmen Kuppeln dieser Art Relikte des „Lord Buddha“ auf. Stupas haben für Buddhisten die gleiche Symbolkraft, wie das Kreuz für Christen. Von Anfang an wurden sie mit Blattgold überzogen, um ihre Wichtigkeit hervorzuheben, das - ganz in der Tradition stehend - auch in heutiger Zeit fortgeführt wird. Das ist eine seltene Gelegenheit, lebendige Tradition mit eigenen Augen mitzuverfolgen. Besonders in armen Gegenden wird mit natürlichen Baumaterialien gebaut, d.h., mit dem was die Natur einem bietet. Bambus wird aufgrund seiner stabilen Eigenschaften auch im Hausbau vielseitig verwendet. Auch, wenn dieses Wohnhaus in seiner Konstruktion ausschließlich aus Holz des umgebenden Tropenwaldes besteht, so wurde das Dach aus Bambusträgern gefügt und mit dessen Blättern bedeckt. |
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Der Monsunregen ist das prägende Element im über- wiegenden Teil von Asien, vergleichbar, wie bei uns Sommer und Winter. Die entstehende Nässe, zusammen mit der täglichen Hitze, läßt Holz und Bambus natürlich schnell verrotten, sodaß es vernünftig erscheint, sich für das schnell nachwachsende Material bzgl. des Daches zu entscheiden. Als ich einige der seßhaft gewordenen, einstigen Nomadenstämme in den Bergen, nahe der nördlichen Grenze hin zu Myanmar ( Burma ) und Laos, besuchte, hatte ich Gelegenheit in das Innere eines Wohn hauses der Hmong zu schauen, deren Ursprung im Süden Chinas liegt. Dem ersten Eindruck nach wirken die Hütten recht primitiv. So, als ob sie schnell errichtet werden können. Wohn-, Ess-, und Schlafraum sind nicht selten eins. Das Leben findet gewöhnlich draußen statt. |
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Luftige Wände sind von großem Vorteil. Das Nicht- Fügen der Bambusstäbe zu einer geschlossenen Wand, erlaubt dem kühlenden Wind Tag und Nacht in das Rauminnere zu gelangen. Feuchte kann sich nicht stauen und das Wohnklima belasten. Eher einer Sonnenblende gleich, kann Tageslicht eintreten und das Innere mit- beleuchten. Außerdem braucht die Feuerstelle eine Möglichkeit für den Rauch abziehen zu lassen. Im Gegensatz zu den Wohnhäusern, erkennt man die Vorratslager anhand von zwei wichtigen Elementen : es sind nämlich aufgeständerte und geschlossene Hütten. Wände und Dach sind aus Bambus gefertigt. Um Bambus zu bearbeiten, bedarf es einfacher Werkzeuge des alltäglichen Gebrauchs. Auch, wenn es sich um das Schlitzen längs des Bambusrohres handelt. Aneinander gelegt schließen sie eine Fläche, die von innen wie von außen durch eine sichtbare Konstruktion (hier aus Holz ) aneinandergedrückt werden. Umlaufend wird eine Nut versehen, in der die an den Enden verjüngten Stäbchen zusätzlichen Halt finden. Diese Technik ähnelt der Fül- lung im Schreinerhandwerk in unserem Kulturkreis. Die Verbindungen der horizontalen Holzbalken mit der Rahmenkonstruktion entsteht durch Aussparung, Stecken und zusätzliches Nageln. Wir sehen, eine reine Bambusarchitektur ist eher unüb lich. Das dürfte sich im Lauf der Geschichte nicht großartig verändert haben. Zu sehr leben die Thais ihre auf die Lebensumstände abgestimmte Tradition. Diesen Standortvorteil des Exotischen machen sich denn auch einige, besonders clevere Geschäftsleute auch zu Nutzen. Die beiden nebenstehenden Bilder geben einen Eindruck davon, wie Erfahrungen im traditionellen Hausbau dem Tourismus begegnen. Dieses guesthouse in Sukkhothai, wurde auf dem Wasser gebaut. Unverkennbar sind Originalität und Ursprünglichkeit. Wichtiger aber noch, gerade bezüglich seines ungewöhnlichen Standortes, ist seine Leichtigkeit. So erlauben seine aus Bambusstreifen gewobenen Trennwände den nötigen Sichtschutz und eine spezifische Leichtigkeit par excellance. |
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Bambus ist eine vielgeschätzte Bereicherung der Natur für das ( Über- ) Leben der Thais und anderer „Bambus“- Nationen. Dass da selbst die Ingenieurskunst von profitieren kann, soll nebenstehendes Foto veranschaulichen. Bambus macht`s möglich. Auf dem Foto nicht zu sehen, ist die alte und eingestürzte Brücke, die in genau der gleichen Weise neben dran wieder errichtet wurde. Ein positives Beispiel, wie Wissen und Know-How unkompliziert weitergegeben werden können. Gerade im Hausbau, wo man auf Bambus nur aufgrund einer Not angewiesen war, drängt das in Thailand nicht verwurzelte - natürlich gewachsene - in die entlegendsten Teile des Landes. Der traditionelle Hausbau ( aus Holz bzw. Bambuselementen ) weicht einer langlebigeren Beton-Architektur. Obwohl die Thais auf ihre Kultur achten, mit der sie aufwachsen, die alle Aspekte des Lebens durchdringt und ihnen dementsprechend ihre nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen, orientieren sie sich bezüglich der Materialien, wie auch dem Lifestyle immer mehr am Westen bzw. ihrer einflussreichen asiatischen Nachbarn. China, Singapur und evtl. Malaysien In jedem Fall riskieren sie damit, dass auf kurz oder lang Erfahrung und Wissen bzgl. heimischer Baustoffe nicht weitergegeben werden. Dennoch beobachtete ich Parallelen. Z.B. bzgl. der eingangs erwähnten Tempelbauten, die Bauarbeiter greifen nämlich bei ihrem Gerüstbau - egal, ob altes oder neues Gebäude - auf Altbewährtes zurück. Bambus in diesen Gebieten, ist immer noch Identitätsfaktor des Ortes, des Landes und der Menschen als Bestandteil dieser stets spürbaren Vergangenheit, ja Lebensphilosophie des Buddhismus, die sich auch der Metapher der Pflanze bedient, nämlich so stark und unabhängig im Inneren unseres Wesens zu sein wie Bambus, sich den Stürmen des Lebens ebenso gelassen zu biegen um nicht zu brechen und insgesamt stets so entspannt zu sein wie seine Blätter im Wind. |
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2 )
Indonesien im
Beispiel Indonesien ist das weltgrößte Archipel und beheimatet über 300 ethnische Gruppen. Bevor der Islam um 1300 Fuß fasste, war es geprägt von buddhistischer und hinduistischer Weltanschauung. Mit dem Islam kam auch eine neue Symbolik in die Kunst und in die Architektur. Wie die ursprünglichen Häuser auf Indonesien aussahen, ist nur fragmentarisch erhalten, in Form von Tempelreliefs. So lassen sich die trad.
Häuser von der Insel Java anhand kleiner Steinmodelle rekonstruieren,
die in Borobudur und Prambanan gefunden wurden und wahrscheinlich der
Schutzpatronin des Reises Dewi Sri gewidmet sind. Die Dächer besitzen
eine gebogene Firstform und insgesamt wurden sie auf „Stelzen“
errichtet, um den darunter liegenden Raum als eine Art schattiger
Terrasse mit zu benutzen. b - Das „moderne“ Java-Wohnhaus Anhand der drei wichtigen Dachformen lässt sich die soziale Stellung des Bewohners und dessen Familie ablesen. Der kampung ist davon die einfachste, strukturell gesehen und am häufigsten vorkommende. Es ist das Kennzeichen, dass hier der „einfache Mann“ wohnt. Das unkomplizierte Dach ruht auf vier Hauptstützen, die um die innere Mitte des Hauses angebracht sind. Der First erstreckt sich für gewöhnlich in Nord-Süd-Richtung. Wächst die Familie, wird eine Erweiterung des Hauses notwendig. Das geschieht ganz einfach, indem man entweder das Dach in First- Richtung anbaut oder den Dachüberstand weiter nach unten zieht. Dadurch wird auch eine Terrasse ermöglicht. Limasan ist die Bezeichnung für die Version Haus der gehobeneren Familie, das an der Weiterentwicklung des kampung zu erkennen ist. Es besitzt eine Art Walmdach, wie es in unseren Breiten vorkommt. |
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Joglo wird die Dach- bzw. Hausform der darin wohnenden noblen Familien genannt. Insgesamt steiler in seinem Erscheinungsbild, ist noch ein weiterer Charakterzug zu erkennen. Denn sein First wird zu einem Minimum reduziert. Diese Art Konstruktion, dass vier zentrale Stützen das Dach anheben, wird sogar im traditionell indonesischen Moscheebau, wie auch im gesamten ost-indonesischen Hausbau angewandt. Die hier im rechtwinkligen Grundriss erkennbare Hauseinheit, omah genannt, wird mittels Wandpaneelen geteilt in inneren ( dalem ) und äußeren Bereich, also eine erhöhte Veranda ( emperan ), die ebenso wie die Dachunterkonstruktion und die Paneele aus Bambus besteht. Auf ihr erholen sich die Bewohner tagsüber. Sie halten dort ihre „Siesta“ oder nutzen den Raum um sozialen Kontakt mit den anderen Dorfbewohnern zu pflegen. Traditionell schlief die
gesamte Familie am Hauseingang, auf einem großen Bambusbett. Der
mittlere Bereich des joglo Hauses, also zwischen den vier zentralen
Pfosten, diente der rituellen Nutzung. Hier wurden einmal wöchentlich Räucherstäbchen
gebrannt, zu Ehren der Reisgöttin. Bei einer Hochzeitszeremonie, war
dieser auch der Bereich der Braut und des Bräutigams.
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In seinem Konzept, ist das traditionelle Java-Haus modular. Das ermöglicht eine unkomplizierte Erweiterung in einer Anzahl von Möglichkeiten. a, das kampung Haus, als einfachste Einheit nur im Ausmaß von vier Stützen und einem Satteldach kann in jeder Hinsicht erweitert werden, in Nord-Südrichtung, also dem First entsprechend und/ oder mit seitlicher Verandaerweiterung, wie auch einer seitlichen Duplizierung, so dass sich ein gespiegeltes Haus ergibt. b, der limasan Stiel entwickelte sich zwar aus dem kampung, bewahrt sich aber aufgrund seines abgeknickten Daches mittels weiterer umlaufender Pfosten seine Eigenständigkeit. c, der joglo Typ, als Haus der Aristokraten Javas, erlaubt eine Erweiterung in die Höhe, durch Einfügung eines oder mehrerer horizontaler Dachelemente, deren Steile weiter zunimmt und im eigentlichen, steilsten Element gipfelt.
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Östlich von Bali liegt Lombok. Die Inselbewohner sind die Sasak. Obwohl sie Muslime sind, behielten die Dörfer ihre traditionelle Architektur bei, ebenso wie lokale Tänze, Musik und Schattenspiele. Wie in den meisten Teilen Indonesiens, sind auch ihre Häuser dunkel und fensterlos. Die Wohnungen werden hier benutzt zum Kochen, zum Schlafen und als Lagerraum für die Erbstücke ihrer Vorfahren. Insgesamt halten sich die Dorfbewohner selten in ihren Häusern auf. Dafür sind sogenannte Pavillions vorgesehen. Hier gibt es eine Plattform, auf der man sich tagsüber ausruht, sich über Ereignisse unter - hält oder rituellen Gewohnheiten nachgeht. Auch werden hier die Toten vor ihrer Beerdigung ausgelegt. Die Vorfahren werden sehr verehrt. Man weiht ihnen auf den Friedhöfen kleine Häuser aus den üblichen Baumaterialien Holz und Bambus, die über ihnen errichtet werden. Wohnhaus und ( Reis- ) Scheune Das einheimische Wohnhaus wird auf einer erhöhten Plattform ( ca. 1,5 Meter ) errichtet, die aus einer Stroh-, Schlamm- und Rinderdungmischung besteht. Die Oberfläche des Inneren ( dalam bale ) ist geglättet und mit wenigen Stufen nach außen hin verbunden. Die das Dach tragenden Wände werden aus gewobenen Bambuswänden hergestellt. Nicht selten wird die Doppelflügeltür mit Schnitzereien verziert. Diesseits, im Hausinneren, schlafen die Mädchen, Jungen schlafen jenseits, auf der Terrasse, die sich zusätzlich auf der Plattform befindet. Das Dach wird mit einer ca. 15 Zentimeter dicken Reisstrohschicht eingedeckt. Rechterhand des Eingangs ist ein Raum, indem der Herd steht, darüber ist ausreichend Platz um z.B. Mais zu trocknen. Linkerhand ergibt eine Abtrennung das Schlafzimmer der Bewohner. Hier werden auch die Kinder geboren. Zur Aufbewahrung des Feuerholzes dient die Rückseite des Gebäudes, unterhalb der Plattform. Im Gegensatz zum Wohntrakt der Familie, werden die Scheunen zur Aufbewahrung des Grundnahrungsmittel Reis aufgeständert. Ungewöhnlich ist die Bogen- oder „Bonnet-“ Form des Daches. Quer laufende Holzbalken sind an den vier, die Konstruktion tragenden Pfosten befestigt. Aus Bambus wiederum sind die Dachsparren. Als die einzige Öffnung befindet sich an einem Ende des Giebels eine kleine rechtwinklige Luke. Durch sie schüttet man den Ertrag der Reisernte. |
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d - Das trad. indonesische Haus : Schlussbetrachtung Mehr als nur Schutz vor den Elementen, wird das traditionelle indonesische Haus symbolisch verstanden. Besonders wird mit dem Aussehen der soziale Status, also der individuelle Platz in der Gesellschaft des Gründers verknüpft. Verwurzelt in einer noch unterschwellig lebenden animistischen und naturverbundenen Weltauffassung, werden die Pfosten „gepflanzt“, die anderen Elemente entsprechend ihrer Wuchsrichtung arrangiert. Häuser besitzen eine Seele, dem belebendes Prinzip zugrunde liegt. Durch Zeremonieen und Riten während der Konstruktionsphase, werden sie geweckt. Somit verwundert es auch nicht, dass Teile des Hauses Namen von Körperteilen erhalten : es hat einen Kopf, eine Taille, das Zentrum als Nabel etc. |
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Beeinflusst durch Naturerfahrungen und geographischen Beeinflussungen, sind rituelle Abläufe innerhalb des Hauses leichter zu verstehen. Der Osten repräsentiert, aufgrund des Sonnenaufgangs, das Lebensspendende, der Westen dagegen wird mit dem Tod in Verbindung gebracht. Eine Frau wird somit im „östlichen“ Teil des Hauses ihre Kinder zur Welt bringen. Tote liegen im Westteil. |
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Mythen und Rituale prägen das Verständnis der die Tradition lebenden Indonesier. Die auffälligen, teilweise kunstvoll nach oben gebogenen Dachformen, werden mit dem Göttlichen und der Geister der Vorfahren identifiziert, während das Erdgeschoss Bühne der irdischen Alltagserfahrung ist. Darunter ist die Unterwelt der bösen Geister. Symbolisch gesehen, entspricht das Sich Bewegen von einer Seite des Hauses in eine andere, einer kosmologischen Reise, der Mikrokosmos als Spiegelbild des Makrokosmos. |
Dass dem Haus eine „Seele“ innewohnt, ist eine grundlegende Weltauffassung, die die Lebenshaltung der Indonesier entscheidend mitbestimmt. Denn neben der irdischen, sichtbaren Welt der täglichen Erfahrungen, gibt es noch eine weitere wahrnehmbare, wenn auch unsichtbare. Dieses Universum besteht ausschließlich aus Träumen und anderen außergewöhnlichen Umständen. Dies bedeutet, dass alles künstlich vom Menschen Erschaffene eine nicht-materielle, „spirituelle“ Gegenseite hat. Da man auch davon
ausgeht, dass die Vorfahren das Wohl der Hinterbliebenen mit
beeinflussen, werden die Toten mit großzügigen Beerdigungsriten von
den Lebenden verabschiedet, womit sie erst den Status eines Vorfahren
erhalten. Wird ein Gegenstand weitervererbt, erhält es eine große
Bedeutung und manchmal, wie wir gesehen haben, sogar einen eigenen Raum.
Die Toten selbst erhalten, wie auf Kalimantan traditionell ein fein
gearbeitetes Mausoleum, aufgeständert, und mit weit überstehenden
Traufen. Wogegen die Mamasa Toraja Miniatur-Häuser über die Gräber
legen. Die Rotinesen machen die Toten zum Bestandteil ihres Hauses,
indem sie diese unter dem Boden vergraben. Während der Holländischen
Kolonialzeit wurde diese Praxis allerdings von ihnen verboten, und statt
dessen neben den Häusern Gräber angelegt und kleine Miniaturhäuser
oben draufgetan. |