Bambusforschung an Hochschulen








Einleitung


 

Detail der Brücke in Pereira

Zum Anfang des Referats "Bambusforschung an Hochschulen" wäre die Frage zu stellen, warum eigentlich über Bambus geforscht wird:
Früher wurde überhaupt nicht oder nur sehr begrenzt zum Thema Bambus geforscht, weil Bambus hauptsächlich für einfache Hütten in den ärmeren Gegenden verwendet wurde und hier auch keine Nachweise zur Tragsicherheit o.a. notwendig waren. Dies hat sich geändert mit der schrittweisen Einführung oder Entdeckung von Bambus als Baumaterial für repräsentativere Gebäude.
Die heutige Forschung splittet sich in zwei Bereiche auf. Zum einen gibt es Untersuchungen, die sich mit Bambus als Baumaterial aus baukonstrukiver Sicht befassen, also z.B. Untersuchungen zur Tragfähigkeit oder zu Verbindungen von Bambus. Zum anderen können sich die Untersuchungen mit der allgemeinen Anwendung von Bambus wie z.B. für einfache, traditionelle Hütten oder für einfache "low-cost"- Häuser, die nach einem bestimmten Schema gebaut werden können, befassen.




Deutsche Hochschulen


Universität Gesamthochschule Kassel


drei getestete Bogenelemente
Gitterschalenkonstruktion in Kassel, 1982
Kuppel an der Universität Francisco Marroquin
Hyperbolischer Paraboloid an der Universität Francisco Marroquin
Hyperbolischer Paraboloid im Bau
Low-cost Protoyp-Wohnhaus aus Bambus in Ekuador

Forschungslabor für experimentelles Bauen
An der Universität Gesamthochschule Kassel wird im Forschungslabor für experimentelles Bauen (FEB) von Professor Gernot Minke am Fachbereich Architektur seit 1975 schwerpunktmäßig über die bautechnologische Verwendung von Lehm, Billigbaustoffen (Abfall- und Überflußmaterialien) sowie Pflanzen und Bambus für "Low-Cost-Bauten" geforscht. Mit fast der Hälfte aller Forschungsprojekte liegt der größte Schwerpunkt bei der Verwendung und der Optimierung der baukonstruktiven und bauphysikalischen Eigenschaften des Baustoffs Lehm. Viele Forschungen sind, nach dem Forschungstitel und den internationalen Partnern zu urteilen, auf die Anwendung in Entwicklungsländern wie Guatemala, Ecuador und Indien ausgelegt. In Mexiko und Ecuador hatte Minke Studienaufenthalte und in Guatemala die Stelle eines Gastprofessors.
Drei Forschungsprojekte wurden zum Thema Bambus durchgeführt. Zwischen 1979 und 1983 wurden die "Verwendung von Bambus für leichte Flächentragwerke" und die "Verwendung von Bambusrohren für Gitterschalen und Gewölbekonstruktionen" in Kassel und an der Universität Francisco Marroquin in Guatemala unter Leitung von Professor Minke erforscht.
Für die Untersuchung zur Anwendung für tonnen- und kuppelförmige Dachkonstruktionen und für Verbindungmöglichkeiten wurden verschiedene bogenförmige Tragelemente errichtet und getestet. Der linke abgebildete Bogen bestand aus sechs gespaltenen Bambusrohren und hielt lediglich einer Belastung von 800 N stand. Der mittlere Bogen bestand aus vier gespaltenen Bambusrohren, die unterhalb und oberhalb einer Lage von Rohrabschnitten mit Nieten verbunden waren. Dieser und der rechte Bogen hielt einer Belastung von mehr als 5 kN stand. Weitere Tests ergaben, daß der Bogen auch einer dreifachen Belastung standhält, wenn die Rohrabschnitte jeweils einen Knoten enthalten.
In Kassel wurde 1982 außerdem eine 6m spannende Gitterschalenkonstruktion errichtet, die aus der Bambusart Guada angustifolia bestand, lediglich 2kN wog und dabei das hundertfache ihres Eigengewichts tragen konnte. Abgedeckt wurde die Konstruktion mit einer vorgespannten Membran aus Polyestergewebe und einer 20 cm messenden Erd- und Grasschicht. Die Membran wurde an der höchsten Stelle mit einem Bambushängestab unterstützt. Als Auflager wurden sandgefüllte Blechdosen genutzt, die wie Gelenke wirkten und somit anpassungsfähig an unterschiedliche Belastungen waren. Die Fundamente waren mit Bauschutt und Magerbeton gefüllte Stahlfässer.
An der Universität Francisco Marroquin wurden 1980 in einem zweiwöchigen Kompaktkurs von Studenten unter Leitung von Professor Minke drei unterschiedlich gekrümmte Gitterschalenkonstruktionen entwickelt und gebaut.
Die abgebildete Kuppel bestand aus einer Gitterschalenkonstruktion aus kontinuierlich gebogenen, gespaltenen Bambusstäben und 12 Bambusstützen, die so angeordnet waren, daß eine ausreichende Torsionssteifigkeit vorhanden war. Unterhalb der Gitterschale wurde eine vorgespannte Membran aus kunststoff-beschichtetem Baumwollgewebe angebracht. Neun tellerartige Unterstützungsflächen hielten sie in der Mitte hoch und am Rand war die Membran mit einer Seilverschnürung mit dem Druckring verbunden. Die Verbindungen der Gitterschale mit ihren Stützen bestand aus Bambusnägeln.
Der abgebildete hyperbolische Paraboloid bestand aus vier geraden Bambusstäben und einem sattelförmig gekrümmten Rost aus gespaltenen Bambusrohren. Die gespaltenen Bambusrohre wurden untereinander mit Nieten und am Rand mit Draht und Bambusnägeln verbunden. Über dem Rost wurde eine Dachhaut aus beschichtetem Baumwollgewebe befestigt.
Das dritte Projekt hatte den Titel "Entwurf und die Realisation eines Low-cost Prototyp-Wohnhauses aus Bambus" und wurde 1989 als einwöchiger Workshop für Architekten, Ingenieure und Bautechniker in Babahoyo/ Ekuador durchgeführt. Es wurde ein Versuchsbau errichtet, bei dem das Tragwerk, die Wände und das Dach aus Bambusrohren bestand, die zur Imprägnierung in ein Altölbad getaucht wurden.
Weitere Forschungsprojekte mit Bambus sind nicht auszuschließen, denn z.B. das laufende Forschungsprojekt "Entwicklung erdbebensicherer passsiv klimatisierter Gebäude aus lokalen Baumaterialien für ländliche Gebäude im Andenbereich" könnte durchaus Untersuchungen zur Verwendung von Bambus beinhalten. Eine Übersicht aller durchgeführten Projekte findet man auf der Homepage des Forschungslabor für experimentelles Bauen.
Im Lehrangebot des Forschungslabors wird im Sommersemester Ökologisch Bauen und Wohnen mit dem Unterpunkt Bauen mit Holz und Bambus angeboten.


Universität Stuttgart

Deckblatt des IL 31

Institut für leichte Flächentragwerke
Am Institut für leichte Flächentragwerke (IL) der Bauingenieurfakultät der Universität Stuttgart wurde als Dissertation von Klaus Dunkelberg "IL 31 Bambus" 1985 verfaßt. In der über 400 Seiten starken Arbeit hat der Doktorand die Verwendung von Bambus als Baustoff untersucht. Neben Beiträgen von verschiedenen anderen Architekten dokumentiert auch Gernot Minke seine Forschungsprojekte zum Bambus.




Otto-Graf-Institut
Am Otto-Graf-Institut, der Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen, für den Expo-Pavillon der ZERI-Stiftung die Materialkennwerte für den Bambus Guadua und das Holz Aliso ermittelt und die Knoten und Verbindungen untersucht.


Fachhochschule Bremen

Zeri-Pavillion während der Bauphase

Institut für experimentelle Statik
Am Institut für experimentelle Statik des Fachbereichs für Bauingenieurwesen der Hochschule Bremen von Professor Klaus Steffens gab es bisher keine direkten Forschungsprojekte zu Bambus. Allerdings hat das Institut für den Bambuspavillon der ZERI - Stiftung auf der Expo 2000 in Hannover die Statik untersucht.
Für die Errichtung wurde eine Zustimmung für eine Baugenehmigung im Einzelfall beantragt und Belastungsversuche am zuvor errichteten Prototyp des Pavillon in Manizales, Kolumbien und später am Pavillon in Hannover durchgeführt, da die verwendeten Materialien in Deutschland keine geregelten Baustoffe sind.


RWTH Aachen

Logo des Bambusseminars an der RWTH Aachen

Lehrstuhl für Baukonstruktion I
Am Lehrstuhl für Baukonstruktion I (Tragwerklehre) der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen von Professor Führer wird im Wintersemester 2000/01 unter Leitung von Dr.-Ing. Evelin Rottke zum ersten mal das Seminar "Bauen mit Bambus" veranstaltet.
1994 wurde von Thomas Jürges und Thomas Stachelhaus mit dem am Lehrstuhl entwickelten Programm ExTraCAD für den Entwurf einer 40m langen Bambusbrücke von Jörg Stamm, einem deutschen Schreiner, der in Kolumbien tätig ist, der statische Nachweis zur Tragsicherheit erbracht.




Weitere europäische Hochschulen


Technische Universität Eindhoven

Institut für konstruktives Entwerfen
Das Institut für konstruktives Entwerfen des Fachbereichs Architektur und Bauen der Technischen Hochschule Eindhoven hat eine eigene Abteilung für Bambuskonstruktionen. Professor J.J.A. Janssen steht dieser vor. Bisher hatte die Gruppe um Professor Janssen als europäische INBAR- Vertretung die Koordinierung von Bambus-Ingenieurprogrammen, sowie die Überwachung eines nationalen Bambusprogramms in Costa Rica zur Aufgabe.
Weiterhin hat es sich die Abteilung zur Aufgabe gemacht, die Anwendungsmöglichkeiten von Bambus, insbesondere für Wohngebäude in Entwicklungsländern zu entwickeln, zu analysieren und zu verbessern. Hierzu werden in den nächsten fünf Jahren unter anderem die strukturellen Eigenarten des Bambus erforscht, ein systematisches Entwurfsverfahren für Häuser entwickelt, Praxisregeln für i.w.S. katastrophenresistente Bambuskonstruktionen erdacht und die Forschungsmöglichkeiten für Entwicklungsländer ausgedehnt.
Janssen sieht die Erforschung der Anwendung von Bambus als Baumaterial als Entwicklungshilfe für Entwicklungsländer an. Und dazu haben die westlichen Hochschulen eine moralische Verpflichtung.
Bisher sind als Publikationen von Janssen "Building codes for bamboo housing" als Ergebnis des fünften internationalen Bambus-workshops in Ubud in Indonesien von 1995, "Mechanical properties of bamboo" (Kuwer Forestry Sciences, Vol. 37,1991) und "Building with bamboo" (Intermediate Technology Publications, 2nd ed., London,1995) erschienen. INBAR ist außerdem Herausgeber weiterer Publikationen über Bambus.


Technische Universität Graz

Institut für Gebäudelehre und Wohnbau
An derTechnischen Universität Graz wurden keine direkten Forschungen auf dem Gebiet des Bambus als Baumaterial durchgeführt. Es wurden aber 1995 am Institut für Gebäudelehre und Wohnbau im Rahmen einer Diplomarbeit die Verbesserungsmöglichkeiten zur "Wohnversorgung für Dschunkenseeleute in Hong Kong" von Ute Stotter betrachtet.
Die Diplomarbeit zeigt auf, daß als Baumaterial Bambus genutzt wird, da dieser Baustoff die Erbringung von Eigenleistungen durch einfache Konstruktionsprinzipien ermöglicht, was für die Verbesserung der Wohnsituation von entscheidender Bedeutung ist.




Außereuropäische Hochschulen


Oueens University Kingston

David J. Turcke

David J. Turcke
An der Oueens University Kingston in Ontario, Kanada am Fachbereich für Bauingenieurwesen erforscht David J. Turcke Bambus als alternatives Baumaterial, das Holzprodukte ergänzen oder ersetzen kann. Er untersucht die Herstellungsverfahren (und etablierte Produkte) für Bambus und Bambus-Holz-Zusammensetzungen als Konstruktionsmaterial für strukturelle und nicht-strukturelle Anwendungen sowie für Möbel und Einrichtungsgegenstände.
Zudem erforscht er die Mikrostruktur von ausgewählten Bambussorten, um bei der Identifizierung effektiver, umweltschonender und wiederverwertbarer Chemikalien für die Bambusbehandlung zu helfen. Turcke ist Co-author der INBAR-Publikation "Bambooo Panel Boards - A State of the Art Report".


Universidad Tecnologica de Pereira



Brücke des Seminars in Pereira

Umweltfakultät
Mit der Entstehung des kolumbianischen Umweltministerium und des nationalen Umweltsystem SINA entstand auch ein Bedarf an qualifizierten Umweltfachkräften auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. 1997 wurde deshalb an der Technischen Universität Pereira in Kolumbien eine Umweltfakultät mit dem Studiengang "Administracion del Medio Ambiente" eingerichtet, der das Ziel hat, die natürlichen Ressourcen und die vom Menschen geschaffene Umwelt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu managen. Unterstützt wird die Technische Universität Pereira dabei durch ein Förderprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), vertreten durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) zum Aufbau und zur Qualifizierung der Fakultät zur bedarfsgerechten Aus- und Weiterbildung von Umweltfachkräften bis 2005. Mit der Ausbildung der Fachkräfte soll ein Beitrag geleistet werden z.B. für Umweltprojekte zum Ressourcenschutz, zur Erosionsbekämpfunug, zur Sicherung der Artenvielfalt und zur Entwicklung umweltverträglicher Produktionsprozesse. Bambus als heimisches Gewächs spielt bei einigen Projekten bestimmt auch eine Rolle.
Nach dem Erdbeben im Januar 1999 unterstützte die Fakultät die GTZ aktiv bei ihrem Nothilfeprojekt. Insbesondere wurde die Bevölkerung beim Wiederaufbau ihrer Häuser mit der Bambusart Guadua unterstützt.
Im August 2000 hat die Fakultät, unter Leitung des Dekans Dr. Samuel Ospina zusammen mit dem Vertreter der Umweltprojekte der GTZ, Dr. Michael Tistl und Jörg Stamm einen praktisch-theoretischen Bambus-Brückenbaulehrgang für Architekten, Ingenieure und Handwerker angeboten. Dabei wurde eine 40m lange Fußgängerbrücke über eine mehrspurige Ausfallstraße gebaut. Anschließend wurde das statische Verhalten unter asymmetrischer Belastung praktisch ausgetestet. Der Lehrgang zeigt die effiziente - in Hinsicht auf Verarbeitung, Verbindungen und Statik - und die ökologische - in Hinsicht auf Energiebilanz, Wasserschutz und die CO2 bindende Fähigkeiten - Bauweise mit Bambus auf. Zudem wird ein Handbuch zum Bambus-Brückenbau herausgegeben.


Universidad de los andes, Bogota

 

Bambusforschungszentrum
An der Universität in Pereira soll ein Bambusforschungszentrum existieren.
Laut dem Artikel "Europäische Tradition und Guadua - Bambus, und ein deutscher Schreiner und die TH Aachen...Eine kolumbianische Geschichte" wird die Konstruktion und das Design mit Bambus in Kolumbien an drei Architekturfakultäten gelehrt. Neben den schon zwei erwähnten Universitäten in Pereira und Bogota, könnte die dritte Universität die Universidad del Valle in Cali sein.








Literaturliste



Klaus Dunkelberg, IL 31, Bambus, Institut für leichte Flächentragwerke, Stuttgart 1985

Gernot Minke, Experimentelles Bauen, Ökobuchverlag, Staufen 1995

Josef Lindemann, Klaus Steffens,"Der Bambuspavillon zur Expo 2000 in Hannover - Ein Schritt zurück in die Zukunft, Bautechnik 6/2000, S.385-392, 7/2000, S.484-491,

Hellriegel/ Meier "Europäische Tradition und Guadua - Bambus, und ein deutscher Schreiner und die TH Aachen...Eine kolumbianische Geschichte", Bauen mit Holz, 10/95, S.843-849

Knut Henkel, "Bauboom nach dem Beben", GTZ Publikation

Brief von Jörg Stamm an Frau Jakob (von Zeitschrift Bauen mit Holz), Oktober 2000

David J. Turcke - Quenns Universität Kingston

Institut für Experimentelle Statik - Fachhochschule Bremen

INBAR Publikationen

Universität Eindhoven, Dr.Jules Janssen, Bambusforschungsabteilung

Homepage: Forschungslabor für experimentelles Bauen - Uni Kassel

Institut für leichte Flächentragwerke - Uni Stuttgart

Forschungs und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen, Otto-Graf-Institut, Uni Stuttgart

Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit - Projekte in Kolumbien

Technische Universität Graz