Projekte aus IL 31


Gerade Stäbe


Einführung

 
Unter der Überschrift "gerade Stäbe" wird in der Dokumentation IL 31 auf Konstruktionssysteme mit diesen und das Tragverhalten des einzelnen Stabes eingegangen.
Mit Skizzen und Modellfotos werden Konstruktionen gezeigt, die besonders geeignet für das Bauen mit geraden Stäben sind und es wird die Dimensionierung mit dem BIC-Diagramm gezeigt. Neben der traditionellen Bauweise Südostasiens wird an Hand des Beispieles einer Siedlung aus Bambus in Manizales vor allem die südamerikanische Bautechnik beschrieben, die von der nordamerikanischen Plattform -Bauweise beeinflusst ist. Der Bambusturm der Phänomena in Zürich ist der Versuch die traditionelle chinesisch Bauweise mit der europäischen zu verbinden. Der Übergang vom geraden zum gekrümmten Stab wird am Beispiel der Weiterentwicklung des traditionellen Bambusschirms zum Gestellzelt gezeigt.
Vorweggenommen werden kann, dass insgesamt versucht wird, durch kurze Stablängen und die Verwendung des unteren steiferen Abschnittes des Bambus die Verformung unter Last geringzuhalten. Zudem werden kurze Spannweiten und geringe Gerauchslasten angenommen. Nur in speziellen Anwendungen werden die vollen Stablängen verwendet, wobei dann auf eine besondere Detailausbildung geachtet werden muss, da bei starken Verformungen in den Verbindungen insbesondere grosse Zugkräfte aufgenommen

Konstruktionssysteme

 
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Verschiedene Konstruktionssysteme

Konstruktive Systeme mit konischen Rundstäben

Der gerade Stab findet verschieden gelagert unterschiedliche Verwendungen (Eulerfälle). Unter Einspannung mit horizontalen Lasteinwirkung ergibt sich die für die konischen Rundstäbe typische Biegelinie. Der gelenkig gelagerte Stab muss durch Abspannungen gesichert werden. "Dreibeine" sind standfeste Tragsysteme , die umgedreht und addiert sozusagen in eine Tischplatte eingespannt werden können.
Wegen der hohen Schlankheit von pflanzlichen Stangen ist es günstig diese zu bündeln. Dies ist besser als die bloße Addition, da ein geringe Vorspannung erzielt wird. Noch günstiger sind natürlich röhrenförmige Querschnitte und das beste Verhältnis von Tragfähigkeit zu Gewicht wird bei seilverspannten Druckstäben erzielt. Eine Reduzierung der Masse und die dem Kraftfluss ensprechenden Anordnung ist anzustreben.
Die besondere Biegelinie konischer Elemente ist in konstruktiven Systemen zu berücksichtigen. Bei weiterentwickelten Systemen müssen an den Einspannstellen Biegemomente aufgenommen werden. Durch wechselseitiges Anordnung des dünnen und dicken Endes können unterschiedliche Tragfähigkeiten ausgeglichen werden.
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Fachwerke etc.
Spreng- und Hängewerke die in einer grossen Vielfalt kombiniert und umgewandelt werden können sind möglich. Fachwerke lassen sich als weiterentwickelte Hängewerke beschreiben. Parallelgurtige Träger kommen vor allem beim Brücken und Deckenbau zum Einsatz.
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Raumtragwerke / Unterspannungen
Die Fachwerkträger könne zu Raumtragwerken addiert werden. Bei der Unterspannung des Trägers muss das Wegknickens der Strebe vermieden werden.
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Verschiedene Dachformen
Geneigte Dächer sind auch typische Stangenkonstruktionen. Pultdächer werden oft als angehängte Konstruktionen vor massive Bauten gestellt, wobei die vordere Unterstützung als Pendelstütze ausgebildet werden kann.






An der Spitze zusammengebundene Stangen.





Aus diesen Prinzipien entwickelt sich auch das Sparrendach, das bei grossen Spannweiten zum Kehlbalkendach ergänzt wird. Die Aufnahme der Horizontallasten muss über die Wandkonstruktion, ein Zugband oder auch den Ringbalken aufgenommen werden.
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Gekrümmte Flächen mit geraden Stangen
Türme werden gewöhnlich als Fachwerkkonstruktionen ausgebildet wobei oft hohen Horizontallasten vor allem aus Wind Rechnung zu tragen ist.





Aus geraden Stäben lassen sich gekrümmte Flächen ( Regelflächen) erzeugen wie das hyperbolisches Paraboloit und Rotationsparaboloid. Die runden Querschnitte haben den Vorteil dicht an dicht aneinandergelegt werden zu können. Auch geodätische Kuppeln sind möglich, wobei die Knoten, der nicht in einer Ebene liegenden Stäbe besonders beachtet werden müssen.

Biegelinie

 
biegelinien
Konizität
Bei den Kegelförmigen Stäben ergeben sich Konstruktionen, die sich grundsätzlich von denen mit gleichmässiger Dicke unterscheiden.
Stäbe gleicher Konizität weisen aber nicht unbedingt dieselbe Biegelinie auf, selbst wenn ihre Materialeigenschaften gleich sind: die Stababschnitte a, b und c haben alle die gleiche Konizität, weisen jedoch unterschiedliche Biegelinien auf. Die Ursache dafür ist die unterschiedlich Schlankheit der Stäbe.
schaumstoffversuch
Schaumstoffversuche, ein Auflager
Zu den Biegelinien wurden im IL Versuche in Schaumstoff durchgeführt. Er bietet den Vorteil der Homogenität und des leichteren und deutlicheren Verbiegens.
Zur Vereinfachung wurden allerdings rechteckige Querschnitte gewählt und die Biegung in nur einer Richtung untersucht. Der Krümmungsradius ist am Einspannpunkt am kleinsten und wird zum dünnen Stabende hin grösser.











Balken mit einem Auflager
Der Schwerpunkt des gekrümmten Stabes entspricht nicht dem des geraden Stabes, da sich durch die Biegung die Länge der Hebelarme verringert. Der höchste Punkt der Biegelinie liegt höher als der Auflagerpunkt.
schaumstoffversuch
Schaumstoffversuche, zwei Auflager
Balken mit zwei Auflagern
Verschiedene Positionen sind möglich:

1. Hier treten nur vertikale Auflagerkräfte auf ( feste und verschiebliche Auflager möglich)

2. Bei verschieblichen Auflagern lässt sich der Durchhang des Balkens innerhalb eines Spielraums verschieben.

3. Bei verringertem Auflagerabstand



Verschiedene Positionen mit drei Auflagern und nur vertikalen Auflagerkräften







Geneigte Balken
Die Kettenlinie liegt im oberen Bereich über der Biegelinie, im unteren Bereich darunter. Diese Form ist von asiatischen Tempeldächern her bekannt.


Das IL hat ein Verfahren entwickelt, das möglichst einfach eine genügend genauen Abschätzung der Tragfähigkeit von Bauteilen ermöglichen soll. Das sogenannte BIC-Diagramm.



Konstruktive Details

An der Universität in Bogota, Kolumbien gibt es das Bambusforschungszentrum CIBAM, dessen Ziel die konsequente Anwendung des südamerikanischen guadua angustifolia für das Bauen ist. Diese Bambusart besitzt eine hohe Querzugfestigkeit, was die Gefahr des Spaltens geringer macht.

Das Forschungszentrum führte diverse Projekte durch, von denen einige in der IL 31 kurz vorgestellt werden.
Das CIBAM selbst hat ein Handbuch der Bambuskonstruktion herausgegeben. Einige Seiten davon kann man hier herunterladen.

Das CIBAM hat einige prinzipielle, auf den guadua abgestimmte Detailanschlüsse für die Verbindung von Stützen, Balken und Streben entwickelt. Sie zeigen Ähnlichkeiten mit Holzbauverbindungen aus Europa und aus Nordamerika.

Nachfolgend einige weitere Aufzeichnungen des Forschungszentrums:

Eine Rahmenkonstruktion mit Kopfbändern und die Anordnung von eventuell notwendigen Verstärkungen bei größerer Spannweite und größeren Lasten.
Zweckmäßige Anschlüsse von Diagonalen und Pfosten in einem Fachwerkträger.
Schirmähnliche Kegeldachkonstruktion mit Hängesäule.
Herstellung von Wasserleitungen aus Bambus mit durchbohrten Diaphragmen.
Komplizierte Brückenkonstruktion nach dem Prinzip einer Schere.

Dreigurt-Fachwerk-Binder

 
dreigurt-fachwerkträger
Dreigurt Fachwerkträger


Das CIBAM hat einen leichten einfach herzustellenden Träger aus Bambus entwickelt, der eine Breite von 2m und eine Länge von 8m hat. Diese Struktur ist auf Grund der Stabilität und Flexibilität des Bambus sehr widerstandsfähig gegen Erdbeben. Dieser auch von Laien herzstellende Träger kann mit den unterschiedlichsten Materialien eingedeckt werden.


Wohnungsbau

 
siedlung
Bambussiedlung in Manizales

Eine Siedlung aus Bambus in Manizales

Manizales ist eine Kleinstadt westlich von Bogota, Kolumbien. Sie liegt auf 2500m Höhe in einem Kaffeeanbaugebiet.
In der Region herrscht ein Mangel an Wohnungen, dem das Instituto de Credito Territorial entgegen wirken will. Das Institut ist eine staatliche Organisation zur Entwicklung von Wohnbauprogrammen für die Behausung der sozial am meisten Benachteiligten. Die Wohnungen entstehen oft auf enteignetem Land oder Steilhängen.
grundriss
schnitt

bambusgerüst
bretterschalung
verputzt
Projekt Malabar

Projekt Malabar

Das Projekt Malabar ist eines der Wohnbauprogramme des Instituto de Credito Territorial.
Die Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Werte, sowie der natürlichen Resourcen spielte eine große Rolle. Der dominierende Baustoff ist Bambus. Bambus ist ein örtlicher Baustoff, er gehört zu dem Stadtbild von Manizales. Die Verarbeitung ist der Bevölkerung wohl bekannt. Außerdem ist er durch seine Verformbarkeit gut für die Erdbebenregion geeignet.
Die Wohneinheiten haben eine Grundfläche von 6x7m. Es gibt Wohn- und Schlafzimmer, Küche und WC. Die Belüftung und Belichtung erfolgt neben den Fenstern auch durch einen Innenhof.
Die Stützen stehen in einem Hauptraster von 50cm auf Betonfundamenten. Ausgesteift werden sie durch Diagonalstäbe. Die Wandverschalung erfolgt durch "Bambusbretter", die verputzt werden.
Die Errichtung der gesamten Anlage erfolgt im Selbstbau, unter der Leitung des I.C.T.. Nach Abschluss der Bauarbeiten werden die einzelnen Wohneinheiten unter den Arbeitern verlost.

Ingenieurbau

 
der bau
Bambusturm

Bambusturm auf der Phänomena

1984 fand in Zürich die "Phänomena" eine Ausstellung über Phänomene und Rätsel der Umwelt statt.
Der Bambusturm ist ein Entwurf von dem Züricher Künstler Johannes Peter Staub. Er wurde mit 250t Bambus aus China realisiert. Die Stäbe von 20-jährigen Bambuspflanzen hatten einen Durchmesser von 6-11cm. Sie wurden in China im Herbst geschlagen, dort getrocknet und nach Zürich verfrachtet.
Alle Arbeiten übernahmen 40 bambuserfahrene Handwerker aus China.
knoten
knoten
Detailausbildung
turm
Gesamtansicht
Die Konstruktion hat drei Geschosse und ist auf einer 21x21m großen Grundfläche errichtet. Herausstechend sind zwei 20m hohe Treppentürme.
Dem Entwurf liegt ein Sechseckraster mit 2,40m Kantenlänge zugrunde. Vor Ort wurden die sechseckige Elemente hergestellt und auf dem Raster errichtet. Weitere Elemente wurden jeweils aufgesteckt und verstrebt. Die maximale Spannweite der Elemente beträgt 4,80m.
Die senkrechten Elemente wurden durch Schraubbolzen über ein eingelassenes Stahlprofil in den Betonfundamenten verankert. Auch an anderen Stellen musste man auf Baustahl zurückgreifen, um die Verbindungen herzustellen. Die Diagonalstützen zur Verstärkung der Stockwerksbögen wurden verschraubt. Ein verborgenes Stahlband unter den geflochtenen Knotenpunkten dient zur Sicherung der Statik.
Der Grund liegt in den hohen Belastungen des Ausstellungsgebäudes und in der geringen Erfahrung der Arbeiter mit derart hohen Konstruktionen.

Vor der Errichtung in Zürich wurde ein Versuchsbau in China errichtet und auf sein Tragverhalten überprüft. Auch in China hatte man keine Erfahrungen mit über 8m hohen Konstruktionen, obwohl es dort durchaus Baunormen mit technischen Anweisungen gibt.
Besonderes Augenmerk wurde bei dem Versuchsbau auf das Schwingungsverhalten gelegt, da der Turm durch seine vielen Knoten und Verbindungen in diesem Bereich besonders anfällig war.
Der Innenausbau des Turm wurde sehr einfach gehalten. Da der Turm nur in Sommermonaten stand gab es kaum Verkleidungen der offenen Wandelemente, wenn doch dann durch einfache Tücher. Die obere Plattform wurde durch eine einfache Folie vor Regen geschützt. Der Turm war Ausstellungsobjekt und -raum in einem. Er beherbergte Kaleidoskopbetrachtungen, einen Spiegelsaal, Windräder, Savoniusrotoren und einen 1,50m Gong. Es gab außerdem 4 Rutschbahnen, ein Restaurant und die dazugehörige Küche.
Das Restaurant wurde möbliert mit Tischen und Stühlen aus den Reststücken des Bambus.

Schirme

 
asiatische schirme
Asiatische Schirme

Asiatische Schirme

Der Schirm besteht aus einem ganzen Mittelrohr und den aus fein gespaltenem Bambusrohr hergestellten Rippen und Stangen, die in der oberen Nabe gelenkig am Stab befestigt sind und mit der unteren Nabe frei verschieblich sind. Normalerweise gibt es 38 Fächer oder auch feinere Schirme mit 60 Rippen.
Die flache Kegelform der asiatischen Schirme geht auf die geringe Reissfestigkeit der Papierbespannung zurück.
schirm
schirm
Europäische Schirme

Europäische Schirme

Die europäischen Schirme hingegen nutzten die hohe Zugfestigkeit ihrer textilen Bespannungen aus. Bei diesem Beispiel von Frei Otto und Jürgen Bradatsch (1985) werden beim Aufspannen die Rippen von der Zelthaut gebogen und in ihrer Form gehalten, so dass sie die Beine des Zeltes bilden